Am 1. Januar 2025 tritt eine signifikante Revision der Zivilprozessordnung (« ZPO»; nachfolgend «E-ZPO») in Kraft, die eine Reihe wichtiger Änderungen enthält, darunter die folgenden:
- Das kantonale Recht kann vorsehen, dass auf Antrag sämtlicher Parteien eine andere Landessprache oder die englische Sprache benutzt werden kann (Art. 129 Abs. 2 Bst. b) E-ZPO).
- Zur Erleichterung des Zugangs zum Recht werden neue Bestimmungen über den Kostenvorschuss (Art. 98 Abs. 2 E-ZPO), die Liquidation der Prozesskosten (Art. 111 E-ZPO) und die unentgeltliche Rechtspflege (Art. 118 E-ZPO) eingeführt.
- Unternehmensinterne Rechtsdienste können sich unter bestimmten Voraussetzungen auf das Berufsgeheimnis berufen (Art. 167a E-ZPO). Dies wird es ihnen ermöglichen, die Teilnahme an der Beweisaufnahme im Rahmen der Tätigkeit ihrer Rechtsabteilung zu verweigern.
- Zivilbehörden werden in der Lage sein, Videokonferenzen zu nutzen, um Parteien zu befragen, Zeugen zu vernehmen oder Sachverständigen die Vorlage ihrer Berichte zu ermöglichen. Es wird jedoch kein Recht der Prozessparteien geben, eine Anhörung per Videokonferenz durchzuführen. Den Gerichten steht es frei, sie nach dem Wortlaut des Gesetzes zu verwenden oder nicht (Art. 170a E-ZPO).
- Solange der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht berührt wird, werden die Gutachten der von einer Partei bestellten Sachverständigen als Urkundenbeweis behandelt und gelten nicht mehr als bloße Behauptung einer Partei (Art. 177 E-ZPO).
- Die Zuständigkeit der Schlichtungsbehörde und der Geltungsbereich der Schlichtungsverfahren werden erweitert. So können die Schlichtungsbehörden neu einen Entscheidvorschlag über höhere Streitwerte unterbreiten (Art. 210 Abs. 1 Bst. c E-ZPO) und für Verfahren vor den einzigen kantonalen Instanzen wird ein freiwilliges Schlichtungsverfahren eingeführt (Art. 198 Abs. 1 Bst. f und Art. 199 Abs. 3 E-ZPO).
- Art. 336 Abs. 3 E-ZPO: Ein ohne schriftliche Begründung eröffneter Entscheid (Art. 239) ist vollstreckbar, wenn dem Rechtsmittel gegen den Entscheid keine aufschiebende Wirkung zukommt und das Gericht die Vollstreckung nicht aufgeschoben hat (Art. 239 Abs. 2bis). Der Entscheid ist vollstreckbar, sobald sein Tenor mitgeteilt wird – und z. B. nicht, wenn die schriftliche Begründung vorliegt oder nach Ablauf der Beschwerdefrist. So kann die Partei, die die Verurteilung ihres Gegners erwirkt hat, die Zwangsvollstreckung erwirken, sobald der Tenor mitgeteilt wird. Als Abhilfemassnahme wird es neu möglich sein, den Antrag auf aufschiebende Wirkung vor Einreichung der Berufung oder Beschwerde zu stellen, d.h. sobald die betreffende Entscheidung gemäss Art. 239 Abs. 1bis E-ZPO mitgeteilt wird.
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