Handelsrecht, Vertragsrecht, Darlehensvertrag,
Gerichtsstandsvereinbarung, wesentlicher Irrtum
14 avril 2025
In einem Urteil 4A_331/2023 vom 6. Januar 2025 hatte das Bundesgericht über den folgenden Fall zu entscheiden, den wir insofern interessant finden, als dort das Transparenzprinzip angewandt wurde und in diesem speziellen Fall der Grundsatz der Autonomie der Gerichtsstandsvereinbarung nicht anwendbar war, was zur Unzulässigkeit der Klage in der Schweiz führte.
Die Klägerin/Beschwerdeführerin war eine Gesellschaft mit Sitz auf den Kaimaninseln. Ihr Geschäftsführer mit Einzelunterschrift war ein Vermögensverwalter mit israelischer Staatsangehörigkeit und Wohnsitz in Genf. Dieser verfügte über eine Vollmacht zur Verwaltung der Bankkonten dieser Gesellschaft, an der er sich mehrfach als wirtschaftlich Berechtigter bezeichnet hatte. Die Beschwerdeführerin hielt das gesamte Aktienkapital einer anderen Aktiengesellschaft (F._ AG) mit Sitz in Genf (inzwischen gelöscht), deren Zweck die Verwaltung von privaten oder institutionellen Vermögen war und deren Geschäftsführer mit Einzelunterschrift E._ war.
Die Beklagten waren zu dritt: Zwei von ihnen hatten ihren Wohnsitz in Israel. Sie waren Partner in verschiedenen Handelsgeschäften, sowohl in Israel als auch im Ausland.
Gestützt auf den mit den Beklagten abgeschlossenen Darlehens- und Verwaltungsvertrag vom 28. Juni 2005, der eine Gerichtsstandsvereinbarung enthält, eröffnete die Klägerin/Beschwerdeführerin in Genf eine Klage gegen die Beklagten auf Rückzahlung der 500’000 USD (abzüglich zweier Beträge), die sie ihnen geliehen hätte.
Wie die ersten Richter befand auch das kantonale Gericht, dass die Klage unzulässig sei, da die fragliche Vereinbarung, die mit arglistiger Täuschung und einem wesentlichen Irrtum zum Nachteil der Beschwerdegegner behaftet sei, hinfällig sei. Das kantonale Gericht wandte zunächst das Transparenzprinzip an. Dann stellte es fest, dass der Darlehens- und Verwaltungsvertrag vom 28. Juni 2005 die Beschwerdegegner nicht verpflichtete, da diese sich beim Abschluss des Vertrags in einem wesentlichen Irrtum befunden hatten (Art. 23 und 24 Abs. 1 Ziff. 2 und 4 OR). Die Beschwerdegegner waren auch Opfer einer absichtlichen Täuschung (Art. 28 OR) und hatten den Darlehensvertrag mit Schreiben vom 18. Januar 2011 rechtsgültig für ungültig erklärt. Dieses Schreiben war innerhalb der gesetzlichen Frist eingetroffen (Art. 31 OR). Daher war das erstinstanzliche Gericht des Kantons Genf ratione loci für die Entscheidung nicht zuständig und die Klage musste für unzulässig erklärt werden.
Das Bundesgericht bestätigte das Urteil des kantonalen Gerichts (E. 4 ff.). Dieses stellte insbesondere fest, dass das kantonale Gericht zu Recht entschieden hatte, dass das Transparenzprinzip Anwendung findet, so dass der Schleier der Gesellschaft gelüftet werden konnte (E. 5.2). Das Bundesgericht hat darauf hingewiesen, dass die Anwendung des Transparenzprinzips erstens voraussetzt, dass entsprechend der wirtschaftlichen Realität Personenidentität besteht oder jedenfalls die wirtschaftliche Dominanz eines Rechtssubjekts über das andere; und zweitens, dass die Dualität missbräuchlich geltend gemacht wird, d.h. um einen ungerechtfertigten Vorteil daraus zu ziehen (BGE 144 III 541 E. 8.3.2; 132 III 489 E. 3.2; 121 III 319 E. 5a/aa; 102 III 165 E. 2.1. II.1) (E. 5.1).
In Erwägung 6 bestätigte das Bundesgericht, dass das kantonale Gericht zu Recht entschieden hatte, dass die Beschwerdegegner einem wesentlichen Irrtum unterlegen waren, als sie den angefochtenen Vertrag abschlossen.
Schliesslich betonte das Bundesgericht (E. 8.), dass die ersten Richter, denen das kantonale Gericht folgte, der Ansicht waren, dass der Grundsatz der Autonomie der Gerichtsstandsvereinbarung nicht anwendbar sei, wenn, wie im vorliegenden Fall, der Vertragswille einer der Parteien mit einem Willensmangel behaftet ist (vgl. BGE 121 III 495 E. 6a; 119 II 380 E. 4a und Verweise) und es keinen im IPRG vorgesehenen schweizerischen Gerichtsstand gibt. Die Klage wurde daher zu Recht für unzulässig erklärt.